Alexander Rahr
Quick Facts
Biography
Alexander Rahr (* 2. März 1959 in Taipeh, Republik China (Taiwan)) ist ein deutscher Osteuropa-Historiker, Unternehmensberater, Politologe und Publizist.
Karriere
Alexander Rahr studierte von 1980 bis 1988 Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sein Doktorvater war David Lane, ein Professor der Cambridge University. Von 1977 bis 1985 war er Mitarbeiter des Forschungsprojekts „Sowjetelite“ des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien (BIOst). Er arbeitete von 1982 bis 1994 als Analytiker für Radio Liberty und die Denkfabrik Rand Corporation. Achtzehn Jahre lang arbeitete er für die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und war bis zu seinem Wechsel in die Wirtschaft im Mai 2012 Programmleiter des Berthold-Beitz-Zentrums der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik mit Arbeitsschwerpunkt Russland, Ukraine, Belarus und Zentralasien.
Rahr saß von 2004 bis 2015 im Lenkungsausschuss des Petersburger Dialogs. Dort war er auch Mitkoordinator der Arbeitsgruppe Zukunftswerkstatt. Seit 2012 ist er Projektleiter des Deutsch-Russischen Forums. Dort betreut es die Potsdamer Begegnungen und den Arbeitskreis „Gemeinsamer Raum Lissabon-Wladiwostok“ (mit Ulf Schneider). 2012–2015 war er Senior Advisor der Wintershall Holding GmbH und Berater des Präsidenten der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer AHK. Er ist Mitglied des russischen Clubs Waldai und des ukrainischen Netzwerkes Yalta European Strategy (YES). Seit 2014 war er Stellvertretender Vorsitzender, dann Mitglied des Beirates, des Verbandes der Russischen Wirtschaft in Deutschland. Seit 2015 ist er Berater für EU-Angelegenheiten von Gazprom in Brüssel.
Als Publizist
Er ist Autor zahlreicher Bücher über Russland in mehreren Sprachen, darunter eine Biografie über Michail Gorbatschow (1985) und Wladimir Putin (2000).
Interview in der Komsomolskaja Prawda
Im Mai 2012 erschien ein breit diskutiertes Interview mit Alexander Rahr in der russischen Zeitung Komsomolskaja Prawda. Mehrere seiner hierbei getätigten Zitate lösten in Deutschland kontroverse Reaktionen aus.
- „Die Amerikaner haben den Deutschen das Hirn amputiert.“
- „Deutschen sind der moralischen Stärke Israels verfallen, weil man ihnen den Holocaust ständig unter die Nase reibt.“
- „Der Westen verhält sich wie die Sowjetunion.“
Das Auswärtige Amt distanzierte sich daraufhin von Rahr mit der Begründung, dass man „bekannt gewordene Äußerungen von ihm zur westlichen Wertepolitik nicht teile“. Von Spiegel Online auf sein Interview angesprochen, verteidigte Rahr abermals Putins autoritäre Herrschaft. Sie sei „authentischer“ als das demokratische Chaos unter Boris Jelzin. Allerdings fühle er sich von der Komsomolskaja Prawda hereingelegt. Mit der Journalistin sei lediglich ein Hintergrundgespräch abgesprochen gewesen, jedoch kein Wortlautinterview. Die ZEIT schrieb dazu, ein Video auf der Website der Zeitung, das vier Minuten des Gesprächs zeige, spreche gegen den Vorwurf der Manipulation. Der veröffentlichte Text weiche nicht wesentlich vom aufgezeichneten Gespräch ab.
Kritik an Rahr während der Krimkrise
Während der Krimkrise im April 2014 wurde in einigen Medien Kritik an Rahr laut. Am 20. April 2014 erschien in der Tageszeitung Die Welt ein Artikel, in dem sich der Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments Elmar Brok und der Europa-Politiker der Partei "Bündnis 90 – Die Grünen" Werner Schulz kritisch über Rahrs Aktivitäten äußerten. Laut Brok sei Rahr kein unabhängiger Wissenschaftler, sondern ein Lobbyist des Kreml. Schulz warf in demselben Artikel Rahr vor, er propagiere die Strategie Putins, Russland als strategische Rohstoffmacht auszurichten.
Fünf Tage später hieß es in einem Beitrag der Fernsehsendung Report Mainz, Südwestrundfunk:
„Er gilt als der Russlandexperte, bisher auch im Auswärtigen Amt. Er ist sehr gefragt. Was fast niemand weiß, ebenso wie Schröder ist er bezahlter Lobbyist – nämlich Berater einer Gasfirma, die in Russland mit Gazprom kooperiert.“
Auch die NZZ stellte die Gazprom-Beratertätigkeit ins Zentrum und meinte, er werbe "auf deutschen Kanälen vorsichtig verständnisvoll für die Politik Putins, während er im russischen Fernsehen die Bundesrepublik gerne als Erfüllungsgehilfen amerikanischer Einkreisung Russlands bezichtige".
Befreiung Chodorkowskis
Rahr assistierte ab 2011 Hans-Dietrich Genschers Bemühungen um eine Freilassung des ehemaligen Oligarchen und Kremlkritikers Michail Chodorkowski. Im Dezember 2013 erfolgte Chodorkowskis Freilassung.
Auszeichnungen
2003 wurde Rahr das Bundesverdienstkreuz verliehen. Er ist Ehrenprofessor der Moskauer Diplomatenschule und der Higher School of Economics in Moskau.
2019 erhielt Rahr den Freundschaftsorden der Russischen Föderation für sein Engagement hinsichtlich der deutsch-russischen Beziehungen.
Privatleben
Rahr wurde als Sohn des russischen Journalisten und Kirchenhistorikers deutschbaltisch-skandinavischer Herkunft Gleb Rahr und Sofia geb. Orechowa geboren. Die Familie floh vor der Roten Armee in den Westen. Gleb Rahr baute in Frankfurt am Main die russische orthodoxe Kirche auf, arbeitete viele Jahre für Radio Liberty in München, schrieb ein Buch über "Kirche in Gefangenschaft" in Sowjetzeiten und hatte enge Kontakte zum sowjetischen Dissidenten Alexander Solschenizyn. Rahrs Vater erhielt laut Die Welt die russische Staatsbürgerschaft mit direkter Unterstützung Wladimir Putins zurück.
Er ist verheiratet mit Anna Rahr geb. Galperina und hat einen Sohn und eine Tochter.
Veröffentlichungen
- Gorbatschow – der neue Mann. Universitas-Verlag, 1986, ISBN 3-8004-1107-5.
- Wladimir Putin. Der Deutsche im Kreml. Universitas-Verlag, 2000, ISBN 978-3800414086.
- Russland gibt Gas. Hanser-Wirtschaft, 2008, ISBN 9783446413955.
- Putin nach Putin. Universitas-Verlag, 2009, ISBN 9783800414819.
- Der kalte Freund. Warum wir Russland brauchen: die Insider-Analyse. Hanser-Wirtschaft, München 2011, ISBN 978-3-446-42438-8.
- 2054: Putin decodiert. Eulenspiegel Verlage GmbH, 2018, ISBN 9783360013415.
Literatur
- Tatjana Lukina: Das russische München. Verlag Mir e.V., München 2010, ISBN 978-3-98-05300-9-5.