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Germany
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Tobias Rathjen
German mass murderer and conspiracy theorist, perpetrator of the 2020 Hanau shootings

Tobias Rathjen

The basics

Quick Facts

Intro
German mass murderer and conspiracy theorist, perpetrator of the 2020 Hanau shootings
Work field
Gender
Male
Birth
1977, Hanau, Germany
Death
19 February 2020, Hanau, Germany (aged 43 years)
Age
43 years
Residence
Munich, Germany
Education
Hohe Landesschule,
(-1996)
University of Bayreuth,
(-2007)
Sports Teams
Königlich Privilegierte Hauptschützengesellschaft
Diana Bergen-Enkheim
Eintracht Frankfurt
The details (from wikipedia)

Biography

Bei den Anschlägen in Hanau wurden am 19. Februar 2020 in der hessischen Stadt Hanau zehn Personen ermordet. Der Täter erschoss neun Personen in und vor zwei Shishabars und auf der Fahrt zwischen beiden Orten. Später wurden er und seine Mutter in der Wohnung seiner Eltern tot aufgefunden. Wegen Terrorverdachts zog der Generalbundesanwalt die Ermittlungen an sich, da „gravierende Indizien für einen rassistischen Hintergrund“ vorlägen.

Tathergang

Gegen 22 Uhr gab der Täter mehrere Schüsse auf der Straße, in einem Kiosk sowie vor und in Shishabars der Hanauer Innenstadt und im Hanauer Stadtteil Kesselstadt ab. Dabei wurden insgesamt neun Menschen getötet sowie sechs weitere verletzt, darunter eine Person schwer.

Nach einem Bericht des Generalbundesanwaltes Peter Frank vor dem Innenausschuss des Bundestages erschoss der Attentäter um 21.58 Uhr zuerst einen Menschen auf offener Straße. Am ersten Tatort erschien eine Polizeistreife um 22.03 Uhr. Bei der Flucht tötete er einen zweiten Menschen, bevor er weiter zur Shishabar Midnight fuhr und dort vier Schüsse durch die Tür abgab; dabei starb ein Opfer. Auf der Weiterfahrt tötete er einen weiteren Menschen. Im Vorraum eines Kiosks erschoss er vier Menschen. In der benachbarten Arena Bar gab es einen weiteren Toten und mehrere Verletzte. Die Tatdauer betrug insgesamt etwa zwölf Minuten. Sein Kraftfahrzeug befand sich um 22.10 Uhr am Wohnort seiner Eltern und wurde um 23.10 durch Zeugenaussagen und Videoaufnahmen festgestellt, woraufhin eine Polizeistreife dort zunächst erfolglos klingelte. Ein Spezialeinsatzkommando (SEK) drang – nach Beobachtung durch einen Drohnenaufstieg – um 3.03 Uhr in die Wohnung ein und fand den Täter und dessen Mutter tot vor. Neben drei Waffen wurden 350 Stück Munition in einem Rucksack gefunden. Hinweise über mögliche Mitwisser oder Unterstützer gäbe es bislang nicht, jedoch warte man auf Auskünfte des FBI zu möglichen Kontakten des Täters während seiner Reise in die Vereinigten Staaten im November 2018.

Ermittlungen

Die Polizei erhielt durch Augenzeugen Hinweise auf ein flüchtendes Fahrzeug, das nach einer Großfahndung im Stadtteil Kesselstadt ermittelt wurde. Bei der Erstürmung seiner Wohnung durch das SEK wurde der Täter tot aufgefunden. Dort wurde zudem die Leiche seiner 72-jährigen Mutter gefunden. Beide Leichen wiesen Schusswunden auf. In der Wohnung wurde auch der körperlich unversehrte Vater des Attentäters angetroffen. Ferner wurden bei den Ermittlungen ein Pamphlet und ein Video gefunden.

Noch in der Nacht zum 20. Februar 2020 übernahm der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof wegen Terrorverdachts die Ermittlungen. Grund dafür war nach Medienberichten, dass das Bekennerschreiben auf eine fremden- und ausländerfeindliche Motivation hindeuten soll. Es wurde ebenso wie das Video aber noch ausgewertet.

Der hessische Innenminister Peter Beuth bestätigte am 20. Februar 2020 im Landtag, dass erste Ermittlungsergebnisse auf ein fremdenfeindliches Motiv hindeuteten. Der Täter sei bis dahin weder dem Landesamt für Verfassungsschutz Hessen bekannt, noch bis zur Tat polizeilich auffällig gewesen.

Opfer

Der Täter erschoss acht Männer und eine Frau mit Migrationshintergrund, die zwischen 20 und 37 Jahre alt waren, sowie seine 72-jährige Mutter und sich selbst. Fünf Opfer (einschließlich der Mutter des Täters) hatten die deutsche Staatsbürgerschaft, eins davon außerdem die afghanische. Zwei Opfer hatten die türkische, jeweils eines die bosnische, die bulgarische und die rumänische Staatsangehörigkeit. Von den Opfern gehörten mindestens zwei zur kurdischen Gemeinschaft. Nach dem Roma Antidiscrimination Network waren „drei der Ermordeten Roma“. Mercedes K. war „deutsche Romni mit polnischen Wurzeln“, Kalojan V. „bulgarischer Rom“ und Vili Viorel P. war „rumänischer Rom“. Ferner gab es nach Angaben des LKA Hessen fünf Verletzte, davon jeweils zwei Menschen mit deutscher und mit türkischer Staatsangehörigkeit sowie einen mit deutsch-afghanischer Zugehörigkeit.

Insgesamt kamen durch das Tatgeschehen neben dem mutmaßlichen Täter zehn Personen zu Tode:

  • Der 22-jährige Ferhat U. war als Kind kurdischer Eltern in Deutschland geboren und aufgewachsen; in der Türkei war er nie gewesen. Sein Großvater war als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. Ferhat U. hatte gerade eine Ausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur abgeschlossen und traf sich oft mit Freunden in der Arena Bar.
  • Die 35-jährige Mercedes K. war deutsche Staatsbürgerin und Angehörige der nationalen Minderheit der Roma. Sie hatte am Tatabend in der Arena Bar gearbeitet und hinterlässt zwei Kinder, einigen Medienberichten zufolge war sie mit einem dritten Kind schwanger.
  • Der 30-jährige Sedat G war der Besitzer der Shishabar Midnight. Er hinterlässt einen Bruder.
  • Der 37-jährige Gökhan G. war in Hanau geboren, seine aus Ağrı stammende kurdische Familie lebte seit 1968 in Hanau. Er war gelernter Maurer und arbeitete nebenberuflich als Kellner.
  • Die Familie des 20-jährigen Hamza K., der ebenfalls in der Shishabar Midnight erschossen wurde, stammte aus Prijedor, Bosnien und Herzegowina, bereits sein Vater wie auch seine zwei Brüder und seine Schwester waren in Deutschland geboren. K hatte gerade seine Ausbildung abgeschlossen und wohnte in der Nähe des Täters.
  • Der 33-jährige Bulgare Kalojan V. lebte laut dem bulgarischen Außenministerium seit zwei Jahren in Deutschland und war der Wirt der Bar La Votre neben der Shishabar Midnight. Er war Rom und hinterlässt einen kleinen Sohn.
  • Der 23-jährige Rumäne Vili P. war als 16-Jähriger nach Deutschland gekommen, um Geld für eine medizinische Behandlung seiner Mutter zu verdienen. Er arbeitete bei einem Kurierdienst. Er war Rom und das einzige Kind seiner Eltern.
  • Der 21-jährige Said H. war Deutsch-Afghane mit doppelter Staatsbürgerschaft und in Hanau aufgewachsen. Er war ausgebildeter Maschinen- und Anlagenführer. Sein 23-jähriger Bruder überlebte schwer verletzt.
  • Der 34-jährige Fatih S. war vor drei Jahren aus Regensburg nach Hanau gezogen, auch er starb in der Shishabar Midnight.
  • Die 72-jährige Gabriele R. war die Mutter des Täters und Hausfrau.

Täter

Werdegang

der Täter, Tobias Rathjen, wurde 1977 in Hanau geboren. In den 1980er-Jahren spielte er Fußball bei Eintracht Frankfurt. Nach dem Abitur 1996 an der Hohen Landesschule in Hanau und dem Zivildienst absolvierte er eine Berufsausbildung zum Bankkaufmann in Frankfurt am Main. Im Jahr 2000 begann er an der Universität Bayreuth ein Studium der Betriebswirtschaftslehre, das er 2007 mit dem Diplom abschloss. Vorübergehend arbeitete er von 2008 bis 2011 in Trier als Kundenberater. Von 2013 bis 2018 wohnte und arbeitete er in München. Zuletzt war er arbeitslos und lebte bei seinen Eltern in Hanau.

Er war Sportschütze bei Vereinen in Frankfurt am Main und München und legal Eigentümer von drei Pistolen. Zur Tatzeit war er im Besitz mehrerer Handfeuerwaffen. Seit Sommer 2013 hatte er eine Waffenbesitzkarte. Der Main-Kinzig-Kreis hatte noch 2019 die Zuverlässigkeit als Sportschütze überprüft.

Vor der Tat war er laut Polizei nicht durch Straftaten in Erscheinung getreten. In den Jahren 2002 und 2004 hatte er bei der Bayreuther Polizei Strafanzeigen wegen „illegaler Überwachung“ erstattet, 2019 weitere Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft in Hanau. Anfang November 2019 hatte er sich mit seinen Verschwörungstheorien in einer „Strafanzeige gegen eine unbekannte geheimdienstliche Organisation“ an den Generalbundesanwalt Peter Frank gewandt.

Pamphlet und Video

Der Täter verfasste vor seinem Anschlag ein Pamphlet mit dem Titel „Botschaft an das gesamte deutsche Volk“, das er im Internet verbreitete. Darin schrieb er über seinen Lebensweg, sein rassistisches, islamfeindliches, antisemitisches und von verschiedenen Verschwörungstheorien geprägtes Weltbild und rief zum gewaltsamen Kampf und zur Vernichtung der Bevölkerung ganzer Staaten auf. Laut einer Analyse der Zeit deuten Teile des Dokuments auf ein rechtsextremes Weltbild hin. Der Tagesspiegel verglich seinen Bekennertext mit der Mentalität von Reichsbürgern: „Verfolgungswahn trifft Größenwahn.“ Dies sei eine gefährliche, durch narzisstische Kränkungen des Täters angereicherte Kombination, die bei Rechtsextremisten oft Gewalt legitimiere. Rathjen teilte und übernahm darin auch bekannte Narrative des Rechtspopulismus, indem er beispielsweise „reinrassige“ Deutsche von „Passdeutschen“ unterschied. Der Rechtsextremismusforscher Matthias Quent wies auf die Ähnlichkeit dieser Aussagen zur Ideologie führender AfD-Vertreter hin.

Auch auf antifeministische und frauenfeindliche Motive in seinem Weltbild wurde hingewiesen, die für die Anschläge in Norwegen 2011, den Terroranschlag auf zwei Moscheen in Christchurch eine Rolle gespielt hatten; das Pamphlet enthielt einen Abschnitt mit der Überschrift „Frauen“. Die darin zum Ausdruck kommende „extreme Anspruchshaltung“ als misogynes Motiv verbindet ihn nach Medienberichten mit den Selbsterklärungen rechtsextremer Attentäter, etwa beim Terroranschlag auf zwei Moscheen in Christchurch und bei den Anschlägen in Halle, El Paso oder Dayton.

Wenige Tage vor der Tat veröffentlichte der Täter ein Video auf YouTube, das sich an das US-amerikanische Volk richtete. Es wurde offenbar in einer Privatwohnung aufgenommen und enthielt in fließendem Englisch eine „persönliche Botschaft an alle Amerikaner“. Darin breitet er Verschwörungstheorien aus und appelliert an US-Bürger, aufzuwachen und gegen diese Zustände zu kämpfen. Auf eine bevorstehende eigene Gewalttat in Deutschland wies er hier nicht hin. Die Inhalte des Pamphlets und des Videos werden von Beobachtern teilweise als Hinweis auf eine psychische Erkrankung des Täters, möglicherweise eine Schizophrenie, gedeutet. Das vermuten BKA-Präsident Holger Münch und die forensische Psychiaterin Nahlah Saimeh. Die Kriminologin Britta Bannenberg ordnet seine „wahnhafte Vorstellungen“ einer paranoiden Schizophrenie zu. Die rechtsextreme Einstellung des Täters stehe nicht im Widerspruch zu dieser psychischen Erkrankung, die sie als Ursache der Taten betrachtet. Die rechtsextreme Einstellung habe die Art der Radikalisierung, die Art der Tat und die Auswahl der Opfer beeinflusst. Nach Angaben von Ermittlern wurde der Täter 2002 einmal psychiatrisch behandelt. Die ermittelnde Bundesanwaltschaft gab ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag.

Reaktionen

Politik und Gesellschaft

Noch am Abend des 20. Februar fanden in Hanau und vielen weiteren Städten Mahnwachen statt. Bundesinnenminister Horst Seehofer ordnete für alle öffentlichen Gebäude Trauerbeflaggung an.

Politiker aller Bundestagsparteien bekundeten ihr Entsetzen und Beileid. Wie Angela Merkel, Frank Walter Steinmeier und Recep Tayyip Erdoğan drückten auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres und der Präsident des Europäischen Parlaments David Sassoli den Familien der Opfer ihr Beileid aus. Während die Vertreter der meisten Parteien im Bundestag den mutmaßlich rassistischen Hintergrund der Taten verurteilten, erkannten Vertreter der AfD keinen politisch motivierten Hintergrund bei der Tat, sondern eine psychische Störung des Täters. Laut der Braunschweiger Zeitung ist jedoch eine solche Pathologisierung des Täters eine Verharmlosung der Tat. Verschwörungsideologien seien „nicht nur irre Hirngespinste“, sondern „Teil des Prozesses der Radikalisierung“. Die Partei wolle „sich vor dieser Debatte drücken“.

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, erklärte, es sei „davon auszugehen, dass der Täter bewusst Menschen mit Migrationshintergrund treffen wollte“. Die Gefahr rechter Gewalttäter sei zu lange verharmlost worden. Polizei und Justiz warf er vor, „auf dem rechten Auge eine Sehschwäche“ zu haben.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland Aiman Mazyek sagte, dass rechtsextreme Terroristen „durch die jahrzehntelange Untätigkeit von Politik und Sicherheitsbehörden zum Schutz deutscher Muslime und Minderheiten“ sich zu solchen Taten ermutigt fühlten. Auch muslimische Gotteshäuser und Repräsentanten der Religionsgemeinschaft müssten besser geschützt werden. Zugleich rief er die Muslime auf, eigene Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, erklärte: „Der Zentralrat und alle Sinti und Roma in Deutschland trauern mit den Angehörigen um die ermordete junge Frau, die Mutter von zwei Kindern. Wir trauern um sie und um alle Opfer dieses rechtsterroristischen Anschlags.“ Der Anschlag zeige auf brutale Weise auf, wie weit die Hemmschwelle unter Rechtsradikalen und Rassisten gesunken sei, auch dadurch, dass die etablierten Parteien der AfD immer mehr Raum gäben und damit die Abgrenzung zu den Extremisten auch innerhalb der AfD unterlaufen werde.

Auch die Kurdische Gemeinde Deutschland drückte ihre Bestürzung aus und forderte, keine Angst zu haben und Farbe zu bekennen. Dem kurdischen Dachverband in Deutschland KON-MED (Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland) zufolge stellten sich die politischen Verantwortlichen den rechten Netzwerken und dem Rechtsterrorismus nicht entschieden entgegen.

Der Anschlag führte zu einer erneuten Debatte um das Waffenrecht in Deutschland. Während der Präsident des Bundes deutscher Kriminalbeamter Sebastian Fiedler sich für eine abwartende Haltung aussprach, setzten sich Bündnis 90/Die Grünen für eine Verschärfung ein. Der Bundesinnenminister Horst Seehofer kündigte eine Prüfung an, während der Deutsche Schützenbund strengere Regelungen ablehnt. Ebenso sprach sich die Stiftung gegen Gewalt an Schulen – hervorgegangen nach dem Amoklauf in Winnenden – für eine regelmäßige Überprüfung von Waffenbesitzern sowie der Zusammenführung der Erkenntnisse in den Behörden aus. Roman Grafe wiederholte die Forderung seiner Initiative Keine Mordwaffen als Sportwaffen! im NDR: „Das Risiko sportlicher Waffen ist nicht regulierbar. Das einzige, was hilft, ist diese Waffen zu verbieten.“ Die Initiative habe nach eigenen Angaben mehr als 270 Opfer dokumentiert und wurde ebenfalls nach dem Amoklauf von Winnenden gegründet.

Auf diversen sozialen Medien wurden nach der Tat Verschwörungstheorien bezüglich der vermeintlichen „Wahrheit über Hanau“ verbreitet, so die Behauptung, es habe sich um eine „Geheimdienstoperation“ gehandelt mit dem Ziel, der AfD zu schaden. Das rechtspopulistische Magazin Compact von Jürgen Elsässer ließ in einem YouTube-Video verlauten, vor den Morden habe ein „Bandenkrieg“ in der Luft gelegen mit „den Russen aus Frankfurt am Main“.

Die NdM-Vorsitzende Sheila Mysorekar machte die Alternative für Deutschland (AfD) für den Anschlag mitverantwortlich. Die AfD Hessen hätte mit ihren Internet-Memes über mehrere Wochen explizit gegen Shishabars gehetzt und diese mit „Ausländerkriminalität“ in Verbindung gebracht.

Am 4. März 2020 fand eine zentrale Trauerfeier im Kongresszentrum mit Hinterbliebenen und politischer Prominenz statt; so nahmen etwa Bundespräsident Steinmeier sowie Kanzlerin Merkel teil. Die Veranstaltung wurde auf Großbildleinwänden auf zwei Plätzen in der Innenstadt übertragen. Die Stadt Hanau plant eine Gedenkstätte auf dem Hauptfriedhof für die Opfer des Attentats.

Am selben Tag wurde ein Brief von Serpil Temiz, der Mutter von Ferhat Unvar, an Bundeskanzlerin Merkel öffentlich. Darin fordert sie eine vollständige Aufklärung der Tat, die Vermeidung der gleichen Fehler wie nach der NSU-Mordserie, einen offiziellen Ansprechpartner sowie für die Familien der Opfer eine lebenslange Unterstützung. Zudem brauche es eine staatlich geförderte Stiftung zur Aufklärungsarbeit gegen Hass und Rassismus. Temiz fordert weiterhin, dass die Namen der Opfer von Hanau nie vergessen werden dürfen; sie sollten in der Schule gelernt werden und auf den Straßen lesbar sein.

Politikwissenschaft

Der Terrorismusexperte am King’s College London Peter R. Neumann sah in dem Pamphlet des Täters ein „Muster von sozial isolierten Männern, die sich im Internet aus verschiedenen Elementen selbst eine Ideologie zusammenbasteln.“ Der Mann habe eindeutig einer rechtsextremen Ideologie angehangen und der Text weise zudem darauf hin, dass der Täter erheblich psychisch gestört gewesen sei. Er wies darauf hin, dass es ähnliche Fälle von politisch motivierten Taten in der Vergangenheit häufig gegeben habe und viele Täter „in virtuellen Subkulturen aktiv“ gewesen seien. Die Sicherheitsbehörden müssten in solchen Subkulturen „noch viel stärker unterwegs sein und diese Online-Foren überwachen und infiltrieren“. Was im Bereich Dschihadismus bereits passiere, müsse auch im Bereich Rechtsextremismus umgesetzt werden. Das Internet werde noch zu wenig „als Ort verstanden, in dem sich Extremisten vernetzen.“ Zur These des einsamen Wolfes sagte der Politikwissenschaftler, dass sich in den meisten Fällen später herausstelle, dass es ein soziales Umfeld gegeben habe, mit dem kommuniziert worden sei.

Der Rechtsextremismusforscher Jan Rathje erklärte, dass das Ziel der Täter sei, durch ihre Videos und Manifeste Nachahmer anzuregen. Der Repressionsdruck auf den Rechtsextremismus müsse erhöht werden. In einigen Parteien werde jedoch „gegen jede Form des Extremismus“ gekämpft. Dadurch werde „die reelle Bedrohungslage durch den Rechtsextremismus relativiert“.

Der Politikwissenschaftler Rüdiger Schmitt-Beck bezeichnete rechte Hetze sowie Björn Höckes Aufruf zum politischen Umsturz als „Lizenz für Anschläge“.

Auch der Rechtsextremismusforscher Hajo Funke verwies auf Höcke-Äußerungen wie dessen Appell für eine „Politik wohltemperierter Grausamkeit“. So schaffe man „das Milieu, die Bereitschaft, die Atmosphäre“ und „die Entfesselung von Ressentiments“. „Über Jahrzehnte bis weit in die Aufarbeitungsversuche des NSU“ sei vom BKA und dem Verfassungsschutz „eher verdrängt worden“, was von rechts gekommen sei. Von Seiten der Sicherheitsbehörden käme es jedoch mittlerweile „immer öfter zu verschärften, präventiven Reaktionen“.

Laut dem Soziologen Sebastian Wehrhahn ist das „klassisch rassistische Weltbild“ des Täters „keineswegs nur für die Extreme Rechte wichtig“, vielmehr weist es „viele Überschneidungen und Berührungspunkte mit einem gesellschaftlich weit verbreiteten Rassismus auf“. Verwirrung und Rassismus schlössen sich nicht aus. Es dränge sich auch die Frage auf, „warum bei rechten Anschlägen die geistige Verfassung des Täters gegen den ideologischen Hintergrund aufgerechnet“ werde.

Der Kulturkritiker Georg Seeßlen warf die Frage auf, wie gesund oder krank eine Gesellschaft ist, die solche Täter hervorbringt. Hierzu schrieb er: „Die Täter tun wirklich, wovon zu schwadronieren längst erlaubt, gewohnt und hingenommen ist.“ Seeßlen zog eine Analogie zwischen Rechtsextremismus und einer Droge und zeigte hierfür mehrere Parallelen auf, so unter anderem: „Das Euphorisierende, das Sich-stark-und-unbesiegbar-fühlen, […] die Abfolge von Rausch und Entzug, die zur Notwendigkeit führt, die Dosis zu erhöhen“. Er betonte zugleich, dass dies nichts an der persönlichen Verantwortung der Täter, ihrer Helfer und ihrer Anstifter ändere.

Der Experte für Verschwörungstheorien Michael Butter wies darauf hin, dass es im Manifest und in den Videos des Täters keine Bezüge zu den derzeit populärsten Verschwörungstheorien, die etwa unter Rechtsextremen zirkulieren, gebe. Man könne von einer Art privaten Verschwörungstheorie sprechen, wenn Tobias R. von dem angeblichen Geheimdienst berichtet, der seine Gedanken abhöre. Die Idee einer privaten Verschwörungstheorie sei jedoch widersinnig, denn Verschwörungstheorien zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie sozial geteilt und von mehr als einer Person geglaubt werden. Das sei ein Kriterium, mit dem man sie üblicherweise von paranoiden Wahnvorstellungen abgrenze.

Sicherheitsmaßnahmen

Muslimische Verbände forderten nach der Tat in Hanau Schutz und Solidarität. Als Reaktion auf den Anschlag will Bundesinnenminister Horst Seehofer die Sicherheitsvorkehrungen in Deutschland verstärken. Die nordrhein-westfälische Landesregierung verstärkte die Sicherheitsmaßnahmen für Muslime. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul erklärte, die Polizei gehe auf Streife, wo sich vor allem muslimische Mitbürger aufhielten, und nannte konkret die landesweit 900 Moscheen; der Schutz der Muslime werde während des Freitagsgebets erhöht.

Siehe auch

  • Liste von Terroranschlägen im Jahr 2020
The contents of this page are sourced from Wikipedia article on 21 Apr 2020. The contents are available under the CC BY-SA 4.0 license.
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