
Quick Facts
Biography
Rosalia Chladek (* 21. Mai 1905 in Brünn; † 3. Juli 1995 in Wien) war eine Tänzerin, Choreografin und Tanzpädagogin.
Rosalia Chladek gilt als eine der bedeutendsten Wegbereiterinnen des Freien Tanzes im 20. Jahrhundert in Europa (Ausdruckstanz). Bereits sehr früh erforschte sie Ursachen und Zusammenhänge von Bewegung. Daraus entwickelte sich ihre in Fachkreisen unter dem Begriff Chladek-System international anerkannte Tanztechnik.
Leben und Werk
In ihrer Jugend genoss Rosalie Chladek von 1918 bis 21 eine rhythmisch-musikalische Erziehung an der Schule von Margarete Kallab in Brünn. Daran anschließend studierte sie drei Jahre lang an der Schule für Rhythmus, Musik und Körperbildung Hellerau bei Dresden, der früheren Bildungsanstalt von Émile Jaques-Dalcroze. Diese Ausbildung schloss sie mit Lehrdiplom für Körperbildung ab. Im Jahr 1922 wurde sie Mitglied der Tanzgruppe Kratina der Schule Hellerau. Ein Jahr später kreierte Chladek einige Rollen bei den Hellerauer Festspielen in Valeria Kratinas „Der holzgeschnitzte Prinz“ und bei der Wiener Modernen Musikfestwoche in Kratinas „Der Mensch und seine Sehnsucht“. Im Jahr darauf hatte die Tänzerin ihr Solodebüt in Dresden. Von 1924 bis 1928 lehrte sie an der Schule Hellerau und nach der Übersiedlung der Schule 1925 nach Österreich, an der Schule Hellerau-Laxenburg bei Wien. 1926 erwarb sie die„Suite im alten Stil“. Im darauffolgenden Jahr trat sie zum ersten Mal allein in Wien auf. Im Jahr 1928 erhielt sie eine Einladung zum 2. Deutschen Tänzerkongress in Essen und feierte ihr Debüt in Berlin. Anschließend war Chladek bis 1930 Leiterin der Ausbildungsstätte für Gymnastik und Tanz am Konservatorium Basel und begann ein eigenes System der modernen tänzerischen Erziehung zu entwickeln. Gleichzeitig leitete sie die Tanzgruppe des Basler Konservatoriums und war als Choreografin am Stadttheater Basel tätig. Sie inszenierte die Stücke"Die Geschichte vom Soldaten, „Petruschka“, „Don Juan“ und „Pulcinella“. 1930 nahm die Tänzerin mit der Basler Tanzgruppe am 3. Deutschen Tänzerkongress in München teil. In Wien wirkte sie beim „Elemente-Zyklus“, beim „Rhythmen-Zyklus“ und den„Figuren aus Petruschka“ mit. Bis 1938 hatte Rosalie Chladek die künstlerische Leitung der Tanzgruppe Hellerau-Laxenburg und die Leitung der gymnastischen und tänzerischen Ausbildung an der Schule Hellerau-Laxenburg inne. Im Jahr 1931 wirkte sie erstmals bei den Wiener Festwochen mit, die unter dem Motto „Festliche Tanzsuite“ standen. In den Jahren darauf erhielt sie zwei Preise. 1932 gewann sie für „Les Contrastes“ den 2. Preis beim Großen Internationalen Wettbewerb für Choreografie in Paris und 1933 ebenfalls den 2. Preis beim Ersten Internationalen Wettbewerb für Künstlerischen Tanz in Warschau, der erstmals in der Sparte Choreografie von Bewegungschören in griechischen Tragödien bei den Klassischen verliehen wurde. Des Weiteren machte sie bei den Festspielen in Italien bis 1952 mit, ihre Teilnahme musste sie zwischendurch kriegsbedingt unterbrechen. Außerdem hatte sie Gastspiele in Paris. Im Jahr 1934 tanzte sie die Hauptrollen in„Marienleben“ und „Jeanne d'Arc“. 1935 entwickelte die Tänzerin anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Schule Hellerau-Laxenburg die Choreografie zu „La Danza“. Ein Jahr später spielte sie in „Totengeleite“ mit und entwickelte die„Mythologischen Suite“, diese ließ sie mit „Narcissus“, „Pythia“ und „Waffentanz der Penthesilea“ beginnen. Später kamen „Daphne“, „Agaue“ (1946) und „Höfische Suite“ dazu. Kurz danach hatte die Tänzerin weitere Gastspiele in Paris und Rom. Außerdem wurde ihr der Professorentitel verliehen.
1938 fand ihre Tournee durch Schweden, Estland, Lettland, Polen (unter anderem Lodz) und die Niederlande im Rahmen der „Erzengel-Suite“ statt. Im Jahr darauf hatte sie ein Gastspiel in Rom sowie eine weitere Tournee durch Indonesien mit Alexander von Swaine. Im Jahre 1940 erlangte Chladek mit „Orpheus und Eurydike“ an der Wiener Staatsoper ihre erste Opernregie, sowie ihre Verpflichtung als Choreografin und Solotänzerin an die Deutsche Tanzbühne in Berlin. Danach leitete sie zwei Jahre lang die Moderne Tanzausbildung an den Deutschen Meisterstätten für Tanz in Berlin.
1940–1952 | Leiterin der Ausbildungsstätte für Bühne und Lehrfach am Konservatorium der Stadt Wien |
1943 | „Ein romantisches Liebesschicksal – Die Kameliendame“ |
1944–1963 | Choreografische Tätigkeit am Volkstheater, Arbeiten mit Gustav Manker (Der Bauer als Millionär, Der Verschwender, Die schöne Helena) |
1946–1954 | Choreografin am Burgtheater; Erstmals gesprochene und getanzte Lyrik: „Echo-Gesänge“ |
1947 | Choreografische Gestaltung des „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen |
1948 | „Kleine Passion“ im Akademietheater. Erstmals Gastpädagogin beim Sommerkurs des Schweizerischen Berufsverbands für Tanz und Gymnastik (Gast- und Sommerkurse leitet Rosalia Chladek |
fortan in Belgien, Dänemark, Deutschland, England, Frankreich, Griechenland, Israel, Italien, in den Niederlanden, in Österreich, Schweden und in der Schweiz) | |
1949 | Anlässlich des 3. Internationalen Musikfestes im Wiener Konzerthaus: „Die vier Temperamente“, „Pantea“ und „Peter und der Wolf“ (Regie: Gustav Manker) |
1950 | Gastspiel in New York anlässlich der Teilnahme am International Arts Program |
1951–1953 | Auftritte der Tanzgruppe Rosalia Chladek in Wien u. a. mit „From Morning to Midnight“; Tourneen durch Italien, Deutschland und die Schweiz |
1952 | Mitwirkung im Film „Symphonie Wien“ (Regie: Albert Quendler) |
1952–1970 | Vorstand der Abteilung für künstlerischen Tanz an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien |
1954 | „Selbstbildnis“; Choreografie zu „Orfeo“ beim 6. Wiener Internationalen Musikfest; „Sancta Trinitas“ |
1956 | „Les Petits Riens“ |
1957 | Regie und Choreografie für „Die Geschichte vom Soldaten“ im Akademietheater und Fernsehen |
1959 | „Der Dämon“ und „Le Renard“ im Akademietheater und Fernsehen; Regie und Choreografie für „Julius Cäsar“ am Salzburger Landestheater |
Letztes Auftreten als Solotänzerin in Wien (Akademietheater) | |
1962–1977 | Leiterin des Hochschullehrgangs „Moderne tänzerische Erziehung und Tanzpädagogik – System Rosalia Chladek®“ |
1967 | Ordentliche Hochschulprofessorin |
1968 | Letzte Choreografie: „Curriculum Aeternum“ im Akademietheater |
1972 | Gründung der „IGRC Internationale Gesellschaft Rosalia Chladek“ und der „ARC Arbeitsgemeinschaften Rosalia Chladek“, jetzt aktiv in Österreich, Deutschland, in der Schweiz, |
Italien und Frankreich; Einführung einer Berufsbegleitenden Ausbildung im Chladek®-System | |
1980–1982 | Gastspiele der Tanzgruppe ARC in Frankreich und in der Schweiz |
1985–1990 | Rekonstruktion der Sologestaltungen „Luzifer“, „Jeanne d'Arc“, „Kameliendame“, „Michael“, „Intrade“, „Slawischer Tanz“, „Afro-amerikanischen Lyrik“ und „Narcissus“; Aufführungen u. a. bei den Wiener Internationalen Festivals „Tanz 88“ und „Tanz 90“ und an der Wiener Staatsoper |
1987 | Tanzt bei den Internationalen Tanzwochen Wien, zu deren Dozentinnen sie bis 1995 zählte, in memoriam des Kollegen Alvin McDuffie noch einmal die Baumwollpflückerin aus der 1951 entstandenen „Afro-amerikanischen Lyrik“ |
1989 | Gemeinsam mit Kazuo Ohno Leitung eines Workshops in Amsterdam |
1993 | Aufführung von Rekonstruktionen durch die Staatsoper Dresden |
1995 | Am 3. Juli in Wien gestorben |
Das Chladek-Tanzsystem
Rosalia Chladek hat ihre Tanztechnik in den 1930er Jahren entwickelt, in einer Zeit, in der sich viele Tänzer vom klassischen Ballett lösten, um ihrem eigenen Ausdruckswillen zu folgen. Es fehlte ihnen jedoch dabei eine Tanztechnik jenseits des Balletts, die objektiv und unabhängig vom Lehrer war. Chladek suchte daher nach einer Technik, mit deren Hilfe der Körper der TänzerIn mit all seinen Möglichkeiten als Ausdrucksinstrument dienen kann. Dabei ging sie von den zwei grundlegenden Parametern aus, innerhalb derer wir uns bewegen: von den physikalischen Gesetzmäßigkeiten (Schwerkraft, Zentrifugal, Zentripetalkräfte) und den anatomischen Gegebenheiten des Körpers (Gelenke, Muskulatur). Rosalia Chladek ist es gelungen, ein logisches System mit einer klaren Terminologie zu entwickeln.
Ein wichtiges Thema der Chladek-Technik und in keiner modernen Tanztechnik sonst so bewusst und differenziert aufgenommen, ist die Spannungsveränderung im Körper. Sie ist ein Wechselspiel von Schwerkraft und Eigenenergie, einem Prinzip,in dem sich der Mensch eigentlich permanent befindet.
Der bewusste Einsatz von unterschiedlicher Körperspannung dient der TänzerIn als Ausdrucksmittel. Demnach ist diese Technik auch keine Technik, in der es um bestimmte Formen oder Positionen geht, oder gar spektakuläre Bewegungen, sondern vielmehr eine Technik, in dem der Bewegungsverlauf und die vielen Schattierungen darin die Qualität der Bewegung und des Ausdrucks bestimmen. Um diesen funktionellen und logischen Bewegungsverlauf im Körper zu erlangen, arbeitet man besonders intensiv an der „Durchlässigkeit“ des Körpers.
Auszeichnungen und Würdigungen
- Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse (1960)
- Goldene Ehrenmedaille der Stadt Wien (1971)
- Ehrenmitglied der Deutschen Akademie des Tanzes, Köln (1991)
- Membre d´Honneur der F.I.E.R. (Fédération Internationale des Enseignants de Rhythmique), Genf (1991)
- Verdienstmedaille in Gold der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien (1993)
Literatur
- Gerda Alexander, Hans Groll: Tänzerin, Choreographin, Pädagogin: Rosalia Chladek. ÖBV Pädagogischer Verlag, Wien 1965, ISBN 3-215-11995-1
- Andrea Amort: Free Dance in Interwar Vienna. In: Deborah Holmes, Lisa Silverman (Hrsg.): Interwar Vienna. Culture between Tradition and Modernity. Camden House, New York 2009, ISBN 978-1-57113-420-2, S. 117–142.
- Rosalia Chladek: Von Hellerau bei Dresden nach Laxenburg bei Wien. Impressionen einer ehemaligen Schülerin, späteren Lehrerin und Mitarbeiterin. In: Gunhild Oberzaucher-Schüller (Hrsg.): Ausdruckstanz. Eine mitteleuropäische Bewegung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Florian Noetzel Verlag, 1992, ISBN 3-7959-0609-1, S. 35–70.
- Fritz Klingenbeck: Die Tänzerin Rosalia Chladek. Veen's Uitgevers, Amsterdam; Franz Leo & Comp., Wien 1936.
- Gunhild Oberzaucher-Schüller, Ingrid Giel: Rosalia Chladek – Klassikerin des bewegten Ausdrucks. Kieser Verlag, 2002, ISBN 3-935456-03-4
- Ursula Pellaton: Rosalia Chladek. In: Andreas Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 1, Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 380.
- René Radrizzani: Rosalia Chladek Schriften & Interviews. Florian Noetzel Verlag, 2003, ISBN 3-7959-0825-6
- Televisfilm, Eva Stanzl: Aus meinem Leben – Rosalia Chladek: Tänzerin – Choreographin – Pädagogin, ein Film von PIOTR SZALSZA,Wien 1996