Johann Caspar Harkort VI.
Quick Facts
Biography
Johann Caspar Harkort VI. (* 22. Januar 1817 in Haus Harkorten bei Hagen in Westfalen; † 13. Oktober 1896 ebenda) war ein Pionier des deutschen Großbrückenbaus. Er setzte Meilensteine in der Geschichte des Eisenbahnbrückenbaus, bahnbrechende Stahlkonstruktionen für den nach der Unterzeichnung des Deutschen Zollvereins 1838 und der aufkommenden Industrialisierung rapide wachsenden Eisenbahnverkehr. Er wurde vor allem bekannt durch die Umsetzung ingenieurwissenschaftlicher Pionierleistungen, Stahlkonstruktionen, wie beispielsweise die Rotunde anlässlich der Weltausstellung 1873 in Wien oder der Leuchtturm "Roter Sand" 1885 in der Deutschen Bucht.
Familie
Johann Caspar Harkort VI. war der Sohn des gleichnamigen Vaters Johann Caspar (V.) und der Mutter Johanna Friederieke Harkort geb. Ihne. Er war der Neffe von Friedrich Harkort, Eduard Harkort, Gustav Harkort und Carl Harkort. Friedrich und Gustav Harkort waren neben Friedrich List die Wegbereiter der Eisenbahn in Deutschland. Auch in dieser Phase seines Lebens standen Geschichten um die Eisenbahn im Zentrum des Alltags des jungen Johann Caspar Harkort VI.
Johann Caspar Harkort VI. heiratete Marie Wilhelmine Cäcilie Pottgiesser (1821–1891). Aus der Ehe ging neben sechs Töchtern der einzige Sohn Johann Caspar Harkort VII hervor, der im Deutsch-Französischen Krieg am 15.03.1871 fiel. Zur gleichen Zeit starb sein erster Ingenieur und Schwiegersohn, Willibald Gerhard Liebe, am 26.03.1871 auf Geschäftsreise in Lissabon. Dieser war verheiratet mit Johann Caspar Harkort VI. ältesten Tochter Anna Marie Harkort (1847–1920). Diese Schicksalsschläge waren folgenschwer nicht zuletzt auch für die geschäftlichen und testamentarischen Belange der am 17. Januar 1674 gegründeten Firma Johann Caspar Harkort.
Leben
Johann Caspar Harkort VI. besuchte die Gewerbeschule in Hagen und darauf die Handelsschule in Leipzig. In dieser Zeit praktizierte er im Handels und Exporthaus Carl und Gustav Harkort, die Filialen in Norwegen, den USA und China unterhielt und vornehmlich englische Garne vertrieb. Insbesondere zu seinem Onkel Gustav Harkort unterhielt er Zeit seines Lebens eine innige Beziehung. Dessen umfassende Erfahrungen als Mitbegründer der ersten Aktiengesellschaft Leipzigs 1836, Vorsitzender Direktor der Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Compagnie (1835 bis 1865) und Mitbegründer der Allgemeinen Deutschen Credit-Anstalt 1856 (bis 1865 Direktor), waren ihm in seinen eigenen Unternehmungen stets wertvolle Hilfe.
Johann Caspar Harkort VI. erkannte in dieser Zeit die Entwicklungsmöglichkeiten des Verkehrs und damit auch des Großbrückenbaus. Jener lag zu Anfang jedoch, also zu Beginn des Deutschen Zollvereins ab 1834, ausschließlich in der Verantwortung des jeweiligen deutschen Staates, in jeweils eigens dafür an Ort und Stelle errichteten Werkstätten.
Nach Ableistung des Militärdienstes trat er Ende der 40er Jahre in das väterliche Geschäft, der Firma Johan Caspar Harkort ein. Der erste Brückenbau (1846) war die Brücke über die Wupper in Rittershausen. Sie hatte eine Gesamtlänge von rd. 31,40 m, Lichtweite der beiden Überbauten je rd. 14 m; sie war die erste von privater Seite errichtete Brücke. Es folgte die Ruhrbrücke bei Werden (rd. 119 m lang) und die eingleisige Eisenbahnbrücke über den Rhein bei Koblenz.
Aus logistischen und kapazitiven Gründen verlagerte Johann Caspar Harkort VI. den Großteil des Produktionszweigs "Brückenbau" der Maschinenfabrik auf Harkorten dann an den Rhein nach Duisburg-Hochfeld. Dort erwarb er 1860, unmittelbar neben der Hütte Vulkan, ein unmittelbar am Rheinufer liegendes Grundstück und gründete die "Brückenbauanstalt Johann Caspar Harkort". So konnte das Unternehmen größere Eisenkonstruktionen übernehmen und selbst die schwersten Stücke unmittelbar in Rheinkähne verladen, um sie von dort für die damals für den Güterverkehr noch maßgeblichen Wasserwege weiter zu verfrachten.
In den 1860er Jahren arbeitete er noch in Arbeitsteilung mit der Kölnischen Maschinenbau AG. Johann Caspar Harkort VI. erhielt so den Ruf der größten und leistungsfähigsten Brückenbauanstalt der damaligen Zeit. Mit den zukünftig in rascher Folge zur Ausführung gelangenden Bauwerken sollte sein Unternehmen fortan allein fertig werden. Ab 1864 wurde begonnen, auch im Ausland größere Brücken zu entwerfen und zu bauen, namentlich in Holland (über die Yssel bei Zütphen), Rußland, Österreich und in entfernteren europäischen sowie in Übersee-Staaten, namentlich in Portugal und auf Java.
Johann Caspar Harkort VI. verwandte als einer der ersten Flußeisen (Bessemerverfahren) und Walzstahl für den Brückenbau. 1871 übernahm er die Herstellung der sämtlichen Gebäude für die Wiener Weltausstellung, darunter die berühmte Rotunde. Dieser Kuppelbau hatte bei einer freien Weite von 100 m eine Höhe von 85,3 m und 7570 Tonnen Stahlgewicht.
Nach dem Tod seines einzigen Sohnes J.C. Harkort VII. sowie seines Schwiegersohnes und ersten Ingenieurs Willibald Liebe (beide † im März 1871), trennte er die Brückenbauanstalt vom Vermögen der Firma Johan Caspar Harkort, um am 1. August 1872 die "Aktiengesellschaft für Eisenindustrie und Brückenbau (vormals Johann Caspar Harkort in Duisburg)" - Briefadresse: Gesellschaft Harkort, Duisburg, zu gründen.
Von jeher hatte Johann Caspar Harkort VI. besonderen Wert auf die richtige technische Durchbildung seiner Konstruktionen gelegt. Konsequent wurde dem technischen Büro grosse Sorgfalt gewidmet. So kam es, dass das Unternehmen gegen 1884 ein neues Brückensystem im Markt etablierten konnte, den sogenannten Harkort'schen Gelenkbrücken. Bereits 1885 konnte das Unternehmen 34 solcher Gelenkbrücken mit einer Stützweite von 18–32 m nach Sumatra liefern.
Johann Caspar Harkort VI. gab seine Funktion als Aufsichtsrat der "Gesellschaft Harkort", wie die Brückenbau-Anstalt genannt wurde, Anfang 1886 ab, um auf den Stammsitz seiner Familie Harkort in Hagen-Westerbauer seinen Lebensabend zu verbringen. Johann Caspar Harkort VI. fand 1896 auf dem Familienfriedhof auf Gut Harkorten neben seiner Frau Cäcilie Pottgiesser und seinem Sohn Johann Caspar Harkort VII. seine letzte Ruhe.
Der Schulfrage, namentlich soweit sie das gewerbliche Unterrichtswesen in Westfalen betrifft, galt über seinen Beruf hinaus sein besonderes Interesse.
Ehrungen
1872: Für die Verdienste um die Realisierung Preussischer Stahlkonstruktionen wurde ihm von Kaiser Wilhelm I. der als Ritterorden ausgelegte Kronenorden 3. KL. verliehen.
1873: Für die Verdienste um ihre Realisierung der Wiener Rotunde erhielt er von Kaiser Franz Josef I.die als Ritterorden ausgelegte Auszeichnung des Komturkreuzes vom österreichischen Orden der Eisernen Krone. Mit der Verleihung des Ordens der Eisernen Krone ist die Erhebung in den erblichen Ritterstand verbunden. J.C. Harkort VI. machte zu Lebzeiten kein Aufsehen über diese Auszeichnung und veranlasste den Orden nach seinem Tod 1896 an den Österreichischen Hof zurücksenden.
1883 Ernennung zum Gemeindevorsteher
1884 Ernennung zum Ehrenamtmann in Westerbauer bei Hagen.
1884 Ernennung zum Standesbeamten
Werke
Bis zur Weltwirtschaftkrise 1929, von der sich die Aktiengesellschaft für Eisenindustrie und Brückenbau (vormals Joh. Caspar Harkort in Duisburg) nicht mehr richtig erholen sollte, realisierte sie, bzw. Joh. Caspar Harkort in Duisburg als ausführende Firma auszugsweise folgende Bauwerke:
- die Pfaffendorfer Brücke (gemeinsam mit Kölnische Maschinenbau) (1864)
- die Griethausener Eisenbahnbrücke (gemeinsam mit Kölnische Maschinenbau) (1865)
- die Eisenbahnbrücke Culemborg (gemeinsam mit Kölnische Maschinenbau) (1868)
- die Ostbahnbrücke bei Wien
- die Weichselbrücke Dirschau und die Nogatbrücke (1891)
- die Plauer Brücke
- die Rotunde in Wien
- die Glienicker Brücke zwischen Potsdam und Berlin,
- den Leuchtturm Roter Sand in der Deutschen Bucht,
- die Elbbrücke Dömitz (Schwedler-Träger)*
- die Eisenbahn-Elbbrücken in Hamburg,
- die Deutzer Drehbrücke in Köln
- die Drehbrücke im Rheinauhafen in Köln
- die Mülheimer Brücke in Köln
- die Hammer Eisenbahnbrücke
- die Duisburg-Hochfelder Eisenbahnbrücke
- die Rheinbrücke Wintersdorf (1895) mit „freischwebende Fahrbahnplatte“
- die Rendsburger Drehbrücken bei Osterrönfeld, Rendsburg und bei Tatterpfahl (1895)
- die IJsselspoorbrug (Zutphen)
- die Limfjordbrücke-Eisenbahnbrücke bei Aalbog von 1879 (Dänemark)
- die Eiderbrücke bei Friedrichstadt (Schleswig-Holstein)
- die Eiswerderbrücke in Berlin-Spandau
- die Eisenbahnbrücke zu Wittenberge
- die Rheinbrücke bei Bonn (1895)
- die Strassenbrücke über die Weser in Bremen (1895)
- die Strassenbrücke über die Süderelbe bei Harburg-Wilhelmsburg mit „freischwebende Fahrbahnplatte“
- die Mosel-Strassenbrücke bei Trarbach (1899) mit „freischwebende Fahrbahnplatte“
- die "Neue Ruhrbrücke an der Ackerfähre" in Duisburg (1904)
- die Mainbrücke bei Hochheim (1903)
- die doppelte Eisenbahnbrücke über den Rhein bei Roppenheim (1894)
- die doppelte Eisenbahnbrücke über die Nogat bei Marienburg (1891)
- die doppelte Eisenbahnbrücke über den Rhein bei Worms (1900)
- die Shohei-Bashi Eisenbahnbrücke in Central-Tokyo, Japan, 35°41'53.4"N 139°46'07.6"E
sowie viele andere mehr in Europa, Asien, Afrika und Südamerika.
Literatur
- Der deutsche Brückenbau im XIX. Jahrhundert, Georg Mehrtens und Ernst Werner, VDI, 1991, ISBN 3-18-400647-6.
- Archiv Harkort, NF11, Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Inventare der nichtstaatlichen Archive, Münster 1991
- 75 Jahre Deutscher Brückenbau, Gesellschaft Harkort aus Anlass ihres 50-jährigen Bestehens, Duisburg, 1922
- Eisenbahnbruecken aus zwei Jahrhunderten, Hans Pottgiesser, Stuttgart, Birkhäuser, 1985, ISBN 978-3-7643-1677-8.
- Die Harkort'sche Kohlenbahn und Werksbahnen der Hasper Hütte, Michael Schenk, Sutton Verlag, 2009, ISBN 978-3-86680-466-1.