Henning Tegtmeyer
Quick Facts
Biography
Henning Tegtmeyer (* 29. Juli 1940 in Halle (Saale); † 10. Februar 2019 in Krefeld) war ein deutscher Jurist, Leitender Ministerialrat, Polizeirechtsspezialist und Studentenhistoriker.
Leben, Jugend und Ausbildung
Henning Tegtmeyer wurde als erster Sohn des späteren Professors für Kleintierzucht Martin Tegtmeyer und der technischen Lehrerin Margarete Tegtmeyer geb. Sewerin (1909–1992) geboren, wuchs während des Krieges an seinem Geburtsort Halle und nach der Einberufung des Vaters 1942 in Gütersloh, der Heimat seiner Eltern, auf. Nach Kriegsende wurde er 1947 im Hallenser Stadtteil Kröllwitz eingeschult, 1955 beendete er seine Schullaufbahn mit dem Abgangszeugnis. Besonderes Interesse, vom Vater gefördert, zeigte er an Feldornithologie und an der deutschen Geschichte der Neuzeit. Ab September 1955 besuchte er die Thomas-Münzer-Oberschule in Giebichenstein im Norden Halles.
Der politische Druck in der DDR auf die Familie wuchs, dem jüngeren Bruder Eike (1943–1987) – später Tierarzt in Pfalzgrafenweiler – wurde 1958 trotz guter schulischer Leistungen mangels sozialistischen Engagements der Besuch der Oberschule verwehrt. Daher floh Familie Tegtmeyer nach Westberlin und später Westdeutschland. Im Februar 1960 legte Henning Tegtmeyer das Abitur am Staatlichen Gymnasium Hammonense in Hamm (Westfalen)ab. Anschließend leistete er seinen Wehrdienst als Panzergrenadier in Flensburg, erlitt dabei jedoch einen Dienstunfall, der zur Dienstunfähigkeit führte. Ab Sommersemester 1961 nahm er ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Kiel und seit Wintersemester 1961/62 an der Universität Göttingen auf, wo er – wie sein Vater – Mitglied der Burschenschaft Hannovera wurde. Er war Sprecher beim 115. Stiftungsfest seiner Burschenschaft. 1964 erfolgte ein letzter Wechsel nach Münster, wo er im Januar 1967 das erste Staatsexamen ablegte. Es folgte das Referendariat und das zweite Staatsexamen. Sein Studium ergänzte er an der Verwaltungshochschule Speyer. 1974 wurde Tegtmeyer zum Dr. jur. promoviert.
Beruf
Unterschiedliche Verwendungen im öffentlichen Dienst (Regierungspräsidium, Ausbildungsleiter, Polizeidezernat usw.). Später Versetzung an das Innenministerium in Düsseldorf, wo er bis zur Pensionierung fast 39 Jahre lang der Polizeiabteilung angehörte; man bezeichnete ihn scherzhaft als deren Urgestein. Zunächst Referent im Bereich "Tätigkeitsrecht der Polizei und Verkehrsrecht", dann Leiter des Referats "Rechtsfragen des polizeilichen Informationswesens". Zugleich Leitung des ad hoc-Ausschusses "Recht der Polizei" des Arbeitskreises II "Innere Sicherheit" der Ständigen Konferenz der Innenminister der Länder. Dieses Gremium entwickelte den Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, der von den einzelnen Ländern nach und nach bundesweit umgesetzt wurde. 1990 Beförderung zum Leitenden Ministerialrat und Beauftragung mit der Stellvertretung des Abteilungsleiters in den Bereichen Organisation der Polizei, Polizeiliches Tätigkeitsrecht, Polizeilicher Staatsschutz, Verkehrs-, Versammlungs- und Vereinsrecht, Polizeiärztlicher Dienst sowie Polizei und Medien. Leiter von Arbeitsgemeinschaften der Referendarausbildung, Unterricht für Anwärter des gehobenen Dienstes und später lange Zeit Dozent der Polizei-Führungsakademie (jetzt: Deutsche Hochschule der Polizei) Münster. Langjährig Vorsitzender von Prüfungs- und Auswahlgremien.
Als sich 1990 der Anschluss der Deutschen Demokratischen Republik an die Bundesrepublik Deutschland abzeichnete, beauftragte man den Polizeirechtsspezialisten aus Düsseldorf seitens der Innenministerkonferenz, Verhandlungen mit dem Innenministerium der DDR zu begleiten, damit Kompetenzen der Länder gewahrt wurden. Er übernahm auch die Aufgabe, Dienststellen der DDR zu beraten, damit die Volkskammer noch vor dem Beitritt ein Polizeigesetz erlassen konnte. Später Fachberatung des Landtags von Sachsen-Anhalt, als dort ein neues Polizeigesetz vorbereitet wurde.
Nach 1990 gehörte Tegtmeyer der deutschen Delegation bei der Europäischen Union für allgemeine Rechtsfragen der Polizei an; wieder mit dem Auftrag, Kompetenzen der Innenressorts der Länder zu wahren.
Burschenschafter und Studentenhistoriker
Tegtmeyer war begeisterter Burschenschafter. 1977 bis 1988 führte er elf Jahre lang das Amt des Vorsitzenden des Altherrenverbandes der Burschenschaft Hannovera, überarbeitete deren Verfassung, beteiligte sich an Verhandlungen mit der Breslauer Burschenschaft Saxonia, zu fusionieren, übte das Amt des Vorsitzenden des Altherrenehrengerichtes aus und beteiligte er sich über Jahrzehnte lebhaft an allen Diskussionen, vor allem um die liberale Ausrichtung seiner Verbindung und verfasste dazu Artikel, Stellungnahmen und Gutachten.
Nach Eintritt in den Ruhestand widmete er sich intensiv der Geschichtsforschung, vor allem der Studentengeschichte. Nach Jahren der Vorarbeiten forschte er verstärkt über Ereignisse zur Geschichte der Verbindung und über bedeutende Mitglieder seiner Korporation und veröffentlichte dazu. So beispielsweise über das Leben jüdischer oder ausländischer Bundesbrüder, solche in der DDR, über große Treffen oder die Georg-August-Universität und schrieb mehr als 100 Lebensbilder einzelner Burschenschafter, die häufig zugleich Grundlage für Wikipedia-Einträge bilden. Lebensläufe von Jenny Lind und vieler Bundesbrüder verfasste er für das Biographische Lexikon der Deutschen Burschenschaft. 2009 veröffentlichte er die Geschichte der Burschenschaft Hannovera 1928 bis 1945 und betrieb eine der Studenten-, Korporations- und Universitätsgeschichte gewidmete Internetseite.
Am 10. Februar 2019 ist Henning Tegtmeyer nach kurzer Krankheit in Krefeld nahe seinem Wohnort Düsseldorf verstorben und später in Gütersloh, der Heimat seiner Familie, beigesetzt worden.
Veröffentlichungen (Auswahl)
Juristische
- Erbfolge und Sonderrechtsnachfolge im Sozialversicherungsrecht, juristische Dissertation, Göttingen 1974
- Michael Kniesel, Henning Tegtmeyer, Jürgen Vahle: Handbuch des Datenschutzes für Sicherheitsbehörden, Stuttgart u. a.: Kohlhammer Verlag, 1968
- Henning Tegtmeyer, Jürgen Vahle: Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen mit Erläuterungen, Stuttgart u. a.: Boorberg, 12. Auflage, 2018 (zuvor auch 7.–11. Auflage)
- Rechtstatsachensammlung: Erfahrungen der Länder, in: Forum Rechtstatsachen 1998, Veröffentlichung der Redebeiträge, Bundeskriminalamt Wiesbaden 1998, S. 107–113
- Rechtsphilosophische Betrachtungen über öffentliche Sicherheit und Ordnung, in: Hein Höbing (Hrsg.): Fokus Europa – Öffentliche Ordnung und innere Sicherheit als Spiegel politischer Kultur in Deutschland und den Niederlanden nach 1945, Münster u. a.: Waxmann, 2001, S. 177–184 (deutsch), S. 363–370 (niederländisch)
- Polizeiorganisationsgesetz Nordrhein-Westfalen – POG NRW –, Stuttgart u. a.: Boorberg, 2004
- Der Strafantrag nach den Strafvorschriften der Datenschutzgesetze, in: Öffentliche Verwaltung und Datenverarbeitung (ÖVD), 1981, S. 12–14
- Der Informationsfluß von der Sozialverwaltung zur Polizei nach dem Zehnten Buch Sozialgesetzbuch, in: Die Polizei, Köln: Heymann, Jg. 72 (1981), Heft 6, S. 185–191
- Novellierung der Polizeigesetze – Wiedergabe eines im Seminar der Polizei-Führungsakademie „Urteil zum Volkszählungsgesetz und Konsequenzen für die polizeiliche Praxis“ gehaltenen Referats, in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie Münster-Hiltrup, 1986, S. 1–16
- Erwiderung auf Schoreit „Gefahrenabwehr durch Datensammlung?“, in: Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, Baden-Baden: Nomos Verlag, Bd. 72 (1989), S. 213–225
- Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Datenschutzes (GFDPol) – Auswirkungen auf die Ordnungsbehörden, in: Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter, Stuttgart u. a.: Boorberg, (1989), S. 196–199
- Neue Organisationsmodelle für die Polizei – Bericht aus Nordrhein-Westfalen, Abdruck des Vortrages beim Bundeskriminalamt, BKA-Vortragreihe, Bd. 38, „Standortbestimmung und Perspektiven der polizeilichen Verbrechensbekämpfung“, 1993, S. 53–62
- Fiat justitia …, in: Deutsche Verwaltungspraxis, Hamburg: Maximilian, Bd. 90 (1999), Nr. 7, S. 286–289
- Michael Kniesel, Henning Tegtmeyer, Weiterer Ausbau der zentralistischen polizeilichen EDV-Systeme zum Nachteil der Justiz? – Entgegnung auf Schoreit, DRiZ 1986, 54 ff. – in: Deutsche Richterzeitung, München: Verlag C. H. Beck, Jg. 64 (1986); Nr. 6, S. 251–254
- Henning Tegtmeyer, Jürgen Vahle, Darf die Polizei Aids-Tests erzwingen?, in: Kriminalistik, Heidelberg: Müller, 1987, S. 560–562
- Wolfgang Riotte, Henning Tegtmeyer: Das neue Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, in: Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter, Stuttgart u. a.: Boorberg, 1990, S. 145–150
- Henning Tegtmeyer, Axel Emenet: Einsatz der Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland zur Bekämpfung von Organisierter Kriminalität und Terrorismus? – Anmerkungen zu Schäuble/Stümper/Greiner „Eine Lehre aus dem Kosovo-Krieg: Sicherheit ist heute nicht mehr mit der Verteidigung der Landesgrenzen identisch“ (Heft 6/2000, S. 161 ff.), in: Die Polizei, Köln: Heymanns, Jg. 91 (2000), Heft 12, S. 337–341
Studentengeschichtliche
- Geschichte der Burschenschaft Hannovera 1928 bis 1954, Hilden: WJK-Verlag, 2009
- August Dresbach, Burschenschafter – Demokrat – Bundestagsabgeordneter, in: Klaus Malettke, Klaus Oldenhage (Hrsg.): Fritz Hellwig – Saarländer, Deutscher, Europäer, Festschrift zum 100. Geburtstag, Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, Band 20, Heidelberg: Winter, 2012, S. 297–336
- Klaus Oldenhage, Henning Tegtmeyer: Zur Bekämpfung der neuen Nazis: ein Beitrag von August Dresbach (Hannovera Göttingen 1914) im Deutschen Bundestag, in: Helma Blunck: Burschenschaften und Burschenschafter in der Weimarer Republik, Lupburg-Degendorf: Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung, 2009
- zahlreiche Zeitschriftenbeiträge, häufig in der Bundes-Zeitung der Grünen Hannoveraner zu Göttingen (später: Bundeszeitung der Burschenschaft Hannovera zu Göttingen), jeweiliger Jahrgang (Neue Folge), Göttingen, Jahr, Seiten
Literatur
- Ekkard Wilms: Nachruf auf Henning Tegtmeyer, in: Bundeszeitung der Burschenschaft Hannovera zu Göttingen, Jahrgang 109 (Neue Folge), November 2019, Nr. 2, Seiten 28–31.
- Kai Schröder: Lebenslauf Henning Tegtmeyer
- Gunda Wiegand: Von dort kamen wir, wohin gehen wir jetzt? …, Münster 1995