Albert Goldenstedt
Quick Facts
Biography
Albert Goldenstedt (* 10. Januar 1912 in Varrel; † 11. August 1994 in Delmenhorst) war ein deutscher Bauingenieur, der Widerstand gegen den Nationalsozialismus leistete.
Leben
Frühe Jahre
Goldenstedt wurde in eine kinderreiche Arbeiterfamilie hineingeboren, die protestantischen Glaubens war. Mit der Hilfe eines Stipendiums vom Hackfeld’schen Marienschulfonds in Ganderkesee konnte er ein Studium an der Höheren Technischen Lehranstalt in Oldenburg aufnehmen.
Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Aufgrund einer marxistischen Rede, die er vor seinen Kommilitonen gehalten hatte, und seiner kommunistischen Agitationen wurde er im laufenden Examen verhaftet und für drei Monate in Oldenburg in „Schutzhaft“ genommen. Trotz einer fortwährenden Überwachung durch die Gestapo setzte Goldenstedt seine Widerstandsarbeit fort. In Delmenhorst hatte er Kontakte mit Wilhelm Schroers, Wilhelm Badenhop, August Broda und zu den Sozialdemokraten Leopold Klappstein und August Theis. Über Adolf Giehoff (KPD) wurde er mit Bernhard Gellhaus, Franz Kardatz, Karl Lamken, Heinrich Bleckwehl und dem Landtags- und Stadtratsabgeordneten Heinrich Wagner bekannt. Von diesem Zeitpunkt an sammelte Goldenstedt in Absprache mit Wagner Beiträge für die „Rote Hilfe“. Anschließend versuchte Goldenstedt, in Delmenhorst, Leer, Emden und Goldenstedt Verbindungen zur Bezirksleitung der KPD in Bremen herzustellen. Es kam zweimal zu Kontaktaufnahmen mit dem kommunistischen Reichstagsabgeordneten Conrad Blenkle, zudem mit Georg Buckendahl, Klaus Bücking, Walter Platte, Willy Winkler, Karl Klein, Valeska Lamken u. a. Außerdem unternahm er Fahrten nach Frankreich und in die Schweiz und wurde dort von deutschen Emigranten und von dem Züricher Kaufmann Hans Hug beherbergt. Von diesen Fahrten brachte er illegale Schriften, wie „Die Rote Fahne“ und das Braunbuch, mit. Um einer drohenden Verhaftung zu entgehen, ging er Ende 1936 nach Amsterdam, wo er nach einem konspirativen Treffen mit Kommunisten vom 4. Januar bis zum 23. April 1937 als „illegaler Emigrant“ inhaftiert und dann nach Belgien abgeschoben wurde. Dort arbeitete er weiterhin in Flénu und im Umkreis von Brüssel als Kurier für die „Rote Hilfe“ und die KPD. In dem Brüsseler Stadtteil Laeken wurde ihm von der „Roten Hilfe“ die Betreuung und Versorgung der dort lebenden Emigranten übertragen. In dieser Zeit unternahm er zwei Reisen nach Bremen, um antifaschistisches Propagandamaterial zu verteilen. 1938 wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen. Mit der Unterstützung der „Roten Hilfe“ erhielt er eine Einstellung als Architekt am Staudamm von Eupen. Angesichts der drohenden Kriegsgefahr wies ihn der belgische Staat 1940 in die Niederlande aus. Albert Goldenstedt verbrachte zwei Monate in einem Lager auf der Insel Vlieland. Nach der Okkupation der Niederlande wurde er von der Gestapo verhaftet und ins Deutsche Reich abgeschoben. Das Hanseatische Oberlandesgericht verurteilte ihn wegen „Vorbereitung des Hochverrats“ zu einer Zuchthausstrafe von sechs Jahren in Bremen-Oslebshausen, aber 1943 wurde er als Soldat in die „berüchtigte“ Strafdivision 999 einberufen (Erkennungsmarke: 4./Fest.I.B. XIII / 999-4.Kompanie Festungs-Infanterie-Bataillon XIII/999). Sein Einsatz war auf den griechischen Inseln Samos und Leros, wo er seinen Widerstand fortsetzte. Nach seiner Kriegsgefangenschaft in den ägyptischen Camps 383,381 El Daaba, Camp 379 Quassassin (Ägypten) und Wilton Park (Großbritannien) wurde er am 2. Oktober 1946 von einer britischen Entlassungsstelle in Minden (Westfalen) demobilisiert.
Von 1933 bis 1945 arbeitete Albert Goldenstedt – ohne Unterbrechung – im Widerstand. Er war über vier Jahre in Gefängnissen oder Zuchthäusern inhaftiert, diente zwei Jahre in der Strafdivision 999 und war nach der Befreiung 1945 noch anderthalb Jahre in britischer Kriegsgefangenschaft. Von Anfang an arbeitete er mit Widerstandskämpfernunterschiedlicher konfessioneller und weltanschaulicher Prägung zusammen.
Nachkriegsdeutschland
Nach seiner Rückkehr nach Delmenhorst holte Albert Goldenstedt seine Examina als Hoch- und Tiefbauingenieur an der Staatsbauschule Oldenburg nach und legte seine Prüfung als Baumeister vor der Handwerkskammer ab. 1948 gründete er eine Baufirma in der Düsternortstraße in Delmenhorst und wurde ein Bauunternehmer mit „sozialem Gewissen“: Er kaufte den Landwirten Wiesen und Felder ab, die er in den Bebauungsplan brachte. Als Erschließungsträger verkaufte Goldenstedt die Grundstücke zum Selbstkostenpreis an die Bauherren. So wurden viele Straßen in Delmenhorst mit „Goldenstedt-Häusern“ bebaut: Adalbert-Stifter-, Amalien-, Chemnitzer-, Elisen-, Hedwig-, Heinrich-Heine-, Hölderlin-, Jasmin-, Schlehen- und Urselstraße und der Welsehof. In Bremen entstand die Delmestraße, in Ganderkesee die Herderstraße.
Im politischen Bereich engagierte Albert Goldenstedt sich in der VVN Niedersachsen und war von 1975 bis 1981 ihr Vorsitzender. Intensive politische Kontakte bestanden weiterhin mit Bremer Antifaschisten /-faschistinnen: Wilhelm Meyer-Buer und Georg Gumpert.
Literatur
- Werner Garbas, Frank Hethey (Hrsg.): Delmenhorster Lebensbilder II. Neue Porträts von Menschen in ihren Beziehungen zur Region Delmenhorst, Delmenhorst und Berlin 2006, Aschenbeck und Holstein Verlag, ISBN 978-3-939401-17-9
- Paul Wilhelm Glöckner: Delmenhorst unter dem Hakenkreuz. Der Widerstand, Band II, Delmenhorst 1983
- Christiane Goldenstedt: Albert Goldenstedt – Ein Delmenhorster im antifaschistischen Widerstand. Oldenburger Studien Band 89, Oldenburg 2019, Isensee Verlag, ISBN 978-3-7308-1552-6
- Heinz Junge: Vlieland. Interneringskamp voor Duitse Tegenstanders van Hitler 1938–1940. Die Deutsche Ausgabe: Vlieland. Internierungslager für deutsche Hitlergegner 1938–1940, Selbstverlag Heinz Junge
- Günter Heuzeroth, Johannes Petrich (Hrsg.): Unter der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus 1933–1945. Dargestellt an den Ereignissen in Weser-Ems, Band 1, Oldenburg 1989, ISBN 3-925713-02-6.
- Hans-Peter Klausch: Die 999er. Von der Brigade „Z“ zur Afrika-Division 999: Die Bewährungsbataillone und ihr Anteil am antifaschistischen Widerstand, Frankfurt am Main 1986, Röderberg Verlag, ISBN 3-87682-818-X
- Wilhelm Schroers: Widerstand und Wiederaufbau in Delmenhorst. Lebenserinnerungen, Delmenhorst 2018
- Studienkreis zur Erforschung und Vermittlung der Geschichte des Widerstandes 1933–1945 (Hrsg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933–1945, Niedersachsen II., Regierungsbezirke Hannover und Weser-Ems, Band 3, Köln 1986, Pahl-Rugenstein Verlag